Um Ursachen und Wirkung des gegenwärtigen Pflegenotstands zu verstehen muss man in die Vergangenheit schauen, als die Pflege zu großen Teilen in die Hände der freien Wirtschaft gegeben wurde.
Experten und Betroffene sehen einen engen Zusammenhang zwischen der Liberalisierung der Pflege in den 90er und 2000er Jahren und der gegenwärtigen Pflegekrise. Denn sowohl die stationäre als auch die ambulante Pflege sieht sich mit zunehmenden Problemen konfrontiert.

Die Einführung von Wettbewerb und privatwirtschaftlichen Prinzipien gilt daher vielen als wesentliche Ursachen der Pflegenot in Deutschland.


Mit der Liberalisierung sank die Betreuungszeit für den Einzelnen

In den letzten 20 Jahren erlebte die Pflege weitreichende Veränderungen. Während wirtschaftliche Interessen bis dato weitgehend zurückgestellt wurden, schufen die Gesetzesänderungen in den letzten beiden Jahrzehnten die nötigen Voraussetzungen für den liberalen Wettbewerb in der Pflege.

So wurden beispielsweise private Anbieter, Wohlfahrtsdiensten, Sozialstationen und weiteren Verbänden rechtlich gleichgestellt. Um die Rentabilität der nunmehr als Unternehmen organisierten Dienste zu erhöhen, bemühten sich die Verantwortlichen um die Rationalisierung ihrer Betriebe. Dies führte zunächst einmal zu massiven Einsparungen beim Personal, denn auch für Heime und Pflegedienste stellen die Gehälter einen immensen Kostenfaktor dar.

Die Folge war weniger Personal und damit Zeit pro Patienten. Im europäischen Vergleich gibt es in kaum einem anderen Land ein solches Missverhältnis zwischen Anzahl Pflegekräften und Patienten.
Zum Vergleich: Während in den Niederlanden 6,9 Patienten auf eine Pflegekraft kommen, sind es in Deutschland 13.


Gewinninteresse ist eine der Ursachen für den Pflegenotstand

Die Liberalisierung hatte einen weiteren Effekt auf den Gesundheitsmarkt. Plötzlich wurden Dienstleistungen in diesem Bereich auch für Investoren interessanter. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es zwar grundsätzlich von Vorteil, wenn die Betriebe in dieser Branche heute professioneller und managementorientierter geführt werden.

Die Kehrseite spüren die Pflegedienstleitungen bei der Personalplanung. Geldgeber tätigen die Investments in „Pflegebetten“ in der Regel mit der Absicht, kurz bis mittelfristig Gewinn zu erzielen. Und Rendite lässt sich am einfachsten durch Einsparungen und Rationalisierungen in der Pflege erreichen.

Auch die Investoren sind damit Mitverursacher des Pflegenotstands. Durch die Kapitalisierung entwickelte sich die Pflege zu einem Produkt, bei der die Gewinnmarge im Vordergrund steht. Was generell in der Wirtschaft zu günstigeren Herstellungskosten führt, resultierte in der Pflege zu einer schlechteren Betreuung der Patienten.


Ursachen des Personalmangels liegen in der Vergangenheit

Zwar hat die Politik nach und nach erkannt, dass es nachhaltige Veränderungen in der Pflege braucht. Doch die Neueinstellung von Pflegepersonal scheitert häufig an fehlenden Bewerbern. Durch den Wegfall vieler Ausbildungsplätze in der Pflege in den 2000ern, mangelt es heute an ausgebildetem Personal. Diese Entwicklung war eine direkte Ursache der Einsparungen in der Vergangenheit.

Als Reaktion wurde die Pflegeausbildung reformiert und gibt es inzwischen von Seiten der Politik und der Kassen Zusagen zur Finanzierung neuer Ausbildungsplätze. Dennoch bleibt die Suche nach neuen Auszubildenden schwierig.


Arbeitsbedingungen müssen reguliert werden

Um die gegenwärtig angespannte Situation zu verbessern, gibt es inzwischen Versuche die Pflegekosten für Einsparungen unattraktiv zu machen. Erster Ansatz sind die Pflegepersonaluntergrenzen die inzwischen in vielen Bereichen gelten.

Wenngleich die Untergrenzen nach Meinung mehrerer Experten viel zu knapp bemessen wurde, so stellt sie doch zumindest einen Schritt in Richtung mehr Personal dar.

Ein weiterer Schritt zu mehr Personal ist auch die Finanzierung der Pflegeausbildung über einen Ausgleichsfond, wie bspw. in NRW. Dennoch bleibt offen, ob es nicht einer grundlegenderen Reform und einer stärkeren Regulierung der Träger braucht um auch zukünftig eine würdevolle Pflege möglich zu machen.

Dass die Einhaltung von Hygienevorgaben in der Pflege essenziell ist, steht außer Frage. Doch wenn die Versorgung der Patienten zur Akkordarbeit wird, bleibt kaum Zeit bspw. für ausgiebiges Händewaschen oder die Desinfektion aller Flächen.

Grade in der Pflege ist das Infektionsrisiko besonders hoch, sowohl für Patienten als auch für das Personal. Hier zeigt sich, dass der akute Pflegenotstand unmittelbare Folgen für die Sicherheit und Gesundheit der Pflegenden, wie auch der Gepflegten hat.


Mangelnde Hygiene in der Pflege kann unter Umständen Leben kosten

Krankheitserreger wie Bakterien, Viren sowie Pilze oder Parasiten stellen für Patienten ein erhöhtes Risiko dar, denn häufig ist das Immunsystem nach einer Behandlung ohnehin schon geschwächt.

Die Wege zur Verbreitung sind dabei vielfältig. Infektiöse Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Sekret und alles, was damit in Berührung gekommen ist, gelten als potenzielles Risiko.

Pflegekräfte, die im Heim, Krankenhaus oder bei ambulanten Pflegediensten tätig sind, betreuen mehrere Patienten im Laufe einer Schicht. Dadurch kommen sie mit vielen Erregern in Kontakt.

Zum Schutz aller Beteiligten ist es daher unabdingbar die geltenden Hygienevorschriften zu beachten, auch unabhängig von der Covid-Pandemie.


Hygiene in der Pflege: Risikofaktor multiresistente Keime


Viele pflegebedürftige Menschen sind bereits oder und leiden unter einem geschwächten Immunsystem. Aber auch Kinder oder Schwerkranke gehören zur Risikogruppe, wenn es um die Anfälligkeit für multiresistenter Erreger geht.

Sogenannte nosokomiale Infektionen in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen als Folge mangelnder Hygiene betreffen laut statistischen Erhebungen jährlich immerhin rund eine halbe Million Menschen. Auch in der ambulanten, häuslichen Pflege ist das Risiko, mit den Krankheitserregern in Kontakt zu kommen groß.

Da die Behandlung von Infektionen mit sogenannten MRSA immer neue Antibiotika und Therapien erfordert, gilt es grundsätzlich diesen Infektionen durch ordnungsgemäße Hygiene zu begegnen.


Wie wird hygienische Pflege in Deutschland sichergestellt?


Hygienekonzepte sind Bestandteil jeder Pflegeausbildung und finden sich im Normalfall in den Dienstanweisungen des Arbeitgebers.

Meist finden sich dann Anweisungen für bspw. das Händewaschen, die wie folgt aussehen:

Die Desinfektion der Hände ist in folgenden Situationen notwendig:

  • Nach Berührung oder längerem Kontakt mit potenziell ansteckenden Materialien
  • Vor dem Kontakt mit dem Patienten
  • Nach dem Kontakt mit dem Patienten
  • Nach einem Kontakt mit einer Oberfläche in unmittelbarer Nähe zum Patienten
  • Vor der Ausführung einer aseptischen Tätigkeit. Hierunter fallen alle Handlungen, die eine komplette Abtötung aller Krankheitserreger verlangen

Für Patienten, die hochansteckend sind und sich in Quarantäne befinden sowie in der Intensivpflege gelten selbstverständlich noch schärferer Bedingungen.

Zusätzlich empfiehlt das Robert-Koch-Institut auf verschiedenen Ebenen Hygienefachkräfte zu beschäftigen. Diese Empfehlung sollte ursprünglich auch Eingang in das Infektionsschutzgesetz nehmen. Die Frist wurde zunächst auf 2016 festgelegt, dann jedoch auf Ende 2019 verschoben.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ein Großteil der Krankenhäuser die Empfehlungen des RKI nicht vollständig umgesetzt haben. Aktuelle Zahlen für 2019 liegen dazu noch nicht vor.


Hygienemängel in der Pflege leider kein Einzelfall

Durch den Pflegenotstand und den damit in Verbindung stehenden Personalengpässen besteht die Gefahr, etwaige Maßnahmen zu vernachlässigen. Unter Zeitdruck und bei hohem Patientenaufkommen fällt es in der Praxis oft schwer alle Vorgaben einzuhalten.

Unter Berücksichtigung der enormen Wichtigkeit ist jedoch innerhalb des Betriebes unbedingt auf ordnungsgemäße Hygiene zu achten. Mehr Personal ist damit auch der Schlüssel zur besseren Hygiene in der Pflege- und die kann Leben retten.

Allein in der ambulanten Pflege sind heute weit mehr als 350.000 Mitarbeiter beschäftigt, insgesamt arbeiten rund 1,7 Millionen Menschen in der Pflegebranche. Angesichts der beachtlichen Zahlen an Beschäftigten entstand bereits vor mehreren Jahrzehnten der Wunsch nach einer gemeinsamen Interessenvertretung, die beispielsweise die Tarifverhandlungen führt und für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen eintritt. Inzwischen setzen sich vor Allem ver.di und der DBfK für die Rechte von Pflegepersonal ein. Doch von Arbeitskampf war in den letzten Jahren jedoch trotz teils widriger Bedingungen wenig zu spüren.


Der DBfK ist größte Organisation Pflegender

Keine klassische Gewerkschaft ist der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, kurz DBfK. Bei dieser Organisation handelt es sich jedoch um eine gemeinsame Interessenvertretung der Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege und Kinderkrankenpflege. So geht es dem DBfK vor allem um die Bündelungen der Interessen der Mitglieder gegenüber Kostenträgern, Politik und Gesellschaft.

Im Gegensatz zu einer Gewerkschaft sind die Aufgaben eines Berufsverbands deutlich weiter gefasst, weshalb vor allem die speziellen Themen Lohn und Arbeitsbedingungen weniger stark Fokus stehen.

Dennoch macht der DBfK gemeinsam mit ver.di auch auf schlechte Arbeitsbedingungen und unzureichende Gehälter aufmerksam. Auch die finanzielle Gleichstellung von Männern und Frauen liegt dem Berufsverband am Herzen.

Wenngleich es auch in der Pflegebranche noch weitere Berufsverbände gibt, besitzt der DBfK dank seiner Mitgliederzahl potenziell die größten Einflussmöglichkeiten. Teilweise übernahm der Verband dabei auch gewerkschaftliche Aufgaben.

Auch die Professionalisierung der Pflege ist ein zentrales Thema des Verbandes. So fordert der DBfK unter anderem auch die Einführung eines pflegewissenschaftlichen Studiengangs an Hochschulen, um tiefer wissenschaftliche Erkenntnisse über die Pflege zu erlangen.


Vertritt die Gewerkschaft ver.di auch die Pflege?

Unter den bekannten Gewerkschaften ist es vor allem ver.di, die sich für die Interessen von Pflegekräften einsetzt. Bei Tarifverhandlungen, bspw. mit dem öffentlichen Dienst der Länder übernimmt ver.di federführend die Interessen der Pflegenden.

Auch einzelne Warnstreiks konnte die Gewerkschaft in der Vergangenheit durchführen, bspw. an der Berliner Charité. Doch betroffen waren dabei in der Regel lediglich einzelne Einrichtungen oder Betreiber. Eine flächendeckende Demonstration der Unzufriedenheit mit den Bedingungen bleibt bislang aus.

Nichtsdestotrotz hat die Gewerkschaft für die Pflegebranche einen Katalog an Forderungen erstellt, der nach wie vor auf der Homepage zu finden ist. Unter anderem fordert ver.di eine Stärkung der häuslichen Pflege und die Schaffung von Präventionsangeboten.

Außerdem setzt sich die Gewerkschaft in der Pflege unter dem Gesichtspunkt besserer Arbeits- und Lohnbedingungen unter anderem für eine flächendeckende Bezahlung nach Tarif ein. In der Altenpflege könnte das bereits in naher Zukunft zu Erfolg führen: nach Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband BVAP soll ein Tarifvertrag geschlossen, der nach dem Willen der Bundesregierung, dann für allgemeinverbindlich erklärt werden soll.

Damit sind der Gewerkschaft zwar erste Teilerfolge gelungen, allerdings war der gesellschaftliche und mediale Druck auch unabhängig davon so hoch, dass dies nur als Teil-Erfolg gelten kann.

Die Einflussmöglichkeiten von ver.di als Pflegegewerkschaft sind nicht zuletzt auch deshalb eingeschränkt, weil schätzungsweise nur jeder fünfte Pflegekraft auch Mitglied ist.

Problematisch ist auch, dass unter dem Dach ver.di sich unzählige Berufsgruppen und die Pflege damit immer nur ein Teilbereich bleibt. Auch innerhalb der Gesundheitssparte der Gewerkschaft machen Pflegekräfte mit vielen anderen Arbeitnehmern aus der Branche nur einen Teil der Mitglieder aus.


Forderungen nach eigener Pflege-Gewerkschaft werden lauter

Unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen verwundert es kaum, dass sich immer mehr Arbeitnehmer für eine spezialisierte Gewerkschaft stark machen.

In eine solche Organisation müssten dann allerdings auch deutlich mehr Pflegekräfte eintreten. Durch die Bündelung gemeinsamer Interessen und eine fokussierte Konzentration auf den Bereich der Pflege erhoffen sich viele Pflegende damit weitere Einflussmöglichkeiten und intensivere Vertretung.

Dieser Wunsch hat der „Bochumer Bund“ aufgegriffen und im Mai 2020 eine Gewerkschaft für Pflegende gegründet. Die namentliche Analogie zum Marburger Bund, der Ärztegewerkschaft, ist dabei kein Zufall. Ähnlich wie der Marburger Bund in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen für die Ärzteschaft durchsetzen konnte, möchte der Bochumer Bund gleiches auch für Pflegekräfte erreichen.

Besonders zur Konkurrenz ver.di hat der Bochumer Bund unterschiedliche Ansichten. Vor allem die Ablehnung der Pflegekammer in Niedersachsen spaltet die Gewerkschaften dabei. Ob mit dem Bochumer Bund langfristig eine Alternative zur Pflegesparte von ver.di erwächst lässt sich noch nicht sagen. Aktuell sind noch wenige Pflegende im Bochumer Bund organisiert, wie sich die Mitgliederzahlen entwickeln wird die Zukunft zeigen.

Grundsätzlich zählt zum Berufsbild der Pflegekraft in erster Linie die Versorgung und Betreuung der Patienten. Tatsächlich kommen zu den konkreten pflegerischen Tätigkeiten jedoch viele bürokratische Aufgaben, wie die Pflegedokumentation hinzu. Arbeitszeit, die so genutzt werden muss, fehlt dann für die Versorgung der Patienten. Viele Experten fordern inzwischen einen Abbau der ausufernden Bürokratie in der Pflege.


Bürokratie und Pflege: Ein beträchtlicher Anteil der Arbeitszeit geht verloren


Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wenden Mitarbeiter allein in der stationären Pflege etwa 13 Prozent ihres Arbeitstages, umgerechnet also mehr als eine volle Stunde, für die Dokumentation und Aktenführung auf. Dieser Mehraufwand reduziert wiederum das zeitliche Kontingent für konkrete pflegerische Tätigkeiten.

Dennoch ist es angesichts der Skandale in den letzten Jahren nicht unwichtig, die Leistungen einer Pflegekraft detailliert zu dokumentieren. Das hilft Ihnen unter anderem dabei, spätere Nachfragen bei Problemen mit dem Pflegebedürftigen lückenlos beantworten zu können. Außerdem stellt die Pflege-Bürokratie ein wichtiges Mittel zur Gewährleistung einer standardisierten Qualität dar.

Vor allem im stationären Bereich kümmern sich je nach Schicht zudem verschiedene Pfleger um einen Patienten. Mithilfe der Bürokratie in der Pflege lässt sich im Zweifelsfall also unkompliziert nachverfolgen, wer welche pflegerischen Maßnahmen getroffen hat.


Dokumentation in der Pflege: nicht jede Information ist hilfreich


Dass die Pflegedokumentation im Sinne der Patientensicherheit und Qualität wichtig ist, steht außer Frage. Doch genau hier sollte mit Augenmaß gehandelt werden. Nicht jede Information ist hilfreich bei der Pflege oder medizinischen Versorgung.

Zu den größten Kritikern der Bürokratie in der Pflege ist der ehemalige Bevollmächtigte der Bundesregierung für Patienten und Pflege Karl-Josef Laumann (CDU). Er wirbt seit langem für eine neue, vereinfachte Pflegedokumentation. „Die Grundidee ist bestechend einfach. Nur wenn etwas vom normalen Pflegealltag abweicht, muss das noch aufgeschrieben werden.“, so Laumann. Vor Vertretern des VDK wird Laumann noch deutlicher: „Im Pflegealltag muss nicht alles schriftlich festgehalten und damit dokumentiert werden.“

Tatsächlich ist es je nach Einrichtung üblich detaillierte Dokumentationen über den Zustand und Tagesablauf des Patienten anzufertigen. Diese gleichen sich oft von Tag zu Tag bzw. weichen nur geringfügig ab. Ob davon ein Mehrwert für Patienten und behandelnde Ärzte erzielt wird, bezweifeln viele Betroffene.


Bürokratieabbau in der Pflege noch immer schleppend


Experten und Politiker entwickelten im Gegensatz dazu das sogenannte „Strukturmodell“, welches seit 2015 bundesweit eingeführt wird. Durch die vereinheitlichte und standardisierte Erfassung lässt sich der Dokumentationsaufwand laut Laumann erheblich verringern.

Strukturierte Informationssammlung (SIS) wird diese vereinfachte Pflegedokumentation genannt. Inzwischen nutzt mehr als die Hälfte aller Pflegeeinrichtungen dieses Verfahren. Trotz dieser Bemühungen zeigen Umfragen nach der Einführung 2015, dass der Bedarf nach einer weiteren „Entschlackung“ der Bürokratie in der Pflege nach wie vor besteht.

Große Hoffnung liegt dabei auch auf dem technischen Fortschritt. Besonders der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V. sieht in der digitalen Pflegedokumentation erhebliche Potenziale zur Zeitersparnis. Wirklich funktionierende Systeme zu finanzierbaren Konditionen gibt es bislang jedoch nur in geringem Maß.

In letzter Konsequenz müssen jedoch auch digitale Lösungen durch das Pflegepersonal mit Informationen befüllt werden. Wirklich große Zeiteinsparungen lassen sich also nur realisieren, wenn Daten bereits automatisch in die Dokumentation übertragen werden.

Kurzfristig wird ein stärkerer Abbau der Bürokratie vermutlich nicht gelingen. Besonders im Hinblick darauf, dass auch heute noch nicht alle Einrichtungen die vereinfachte Dokumentation nutzen, ist ohne politischen Druck nicht mit zeitnahen Veränderungen zu rechnen.

In Pflegeberufen galt lange Zeit das Dreischichtensystem als alternativlos. Doch die Kritik an dem Arbeitszeitmodell wächst. Besonders junge Pflegekräfte sind vielfach nicht mehr bereit 10 oder gar 14 Tage am Stück zu arbeiten. Aufgrund von neuen Gesetzgebungen, Veränderungen in der Patientenstruktur sowie der Möglichkeit der häuslichen Pflege wird der Ruf nach alternativen Arbeitszeitmodellen lauter.


Etablierte Arbeitszeitmodelle in der Pflege

In der stationären Pflege galt bisher das klassische Dreischichtensystem – Frühdienst, Spätdienst und Nachtdienst – als gesetzt. Die Zusammensetzung der Schichten unterscheidet sich von Einrichtung zu Einrichtung stark.

Besonders schwierig ist die Personalplanung auf Stationen, die bereits unter Personalmangel leiden. Die fehlenden Pflegekräfte müssen dann vom bestehenden Personal ausgeglichen werden. Der Spielraum im Dienstplan ist damit gering und individuelle Arbeitszeitplanung dann kaum noch möglich.

In der ambulanten Pflege hingegen gibt es meistens nur zwei klassische Schichten: den Früh- und Spätdienst. Dafür sind Bereitschaftszeiten in der Nacht oder am Wochenende üblich.

Unabhängig ob stationär oder ambulant, gelten Dienstpläne in Pflegeberufen als unsicher und häufig wechselnd. Planungssicherheit für die Pflegekräfte ist damit kaum möglich. Das schreckt nicht nur junge Arbeitnehmer ab, sondern lässt auch viele in der Pflege über einen Berufswechsel nachdenken.


Alternative: neues 7/7-Arbeitszeitmodell

Immer mehr Arbeitgeber im Pflegesektor erproben neuerdings das Arbeitszeitmodell 7/7. Die Pflegekräfte sind dabei für sieben Tagen am Stück für jeweils zehn Stunden im Dienst. Zwei Stunden Pausenzeit werden dabei mit zugerechnet.

Anschließend an die sieben Arbeitstage folgen für die Pflegekraft dann sieben arbeitsfreie Tage. Dabei wird von einer 35-Stunden-Woche ausgegangen: 70 Stunden in einer Woche und null Stunden in der zweiten Woche.

Es gibt damit praktisch betrachtet nur noch zwei Schichten: den Früh- und Nachtdienst. Die Patienten werden dabei den gesamten Tag von den gleichen Mitarbeitern betreut. Es gibt keinen Wechsel mehr in der Mittagszeit, sondern nur noch morgens und abends.


Sind alternative Arbeitszeitmodelle eine Lösung für den Pflegenotstand?

Der Vorteil des 7/7-Modells ist, dass die Pflegekräfte nicht mehr als sieben Tage am Stück arbeiten. Im üblichen Dreischichtensystem arbeiten die Mitarbeiter nicht selten zehn bis 14 Tage ohne Unterbrechung und haben dann nur zwei bis vier Tage Urlaub. Viele Pflegekräfte klagen über Erschöpfung und zu kurze Erholungsphasen. Fällt dann ein Mitarbeiter aus, muss die Lücke durch Kollegen geschlossen werden. Häufig geht das wiederum auf Kosten der Ruhetage – ein Teufelskreis.

Diese Belastungsspitzen sollen laut Experten durch das 7/7-Modell vermieden werden. Für die Arbeitnehmer bedeutet ein 7/7-Dienstplan höhere Planbarkeit und Flexibilität für private Verpflichtungen. Termine bspw. können in die Arbeitsfreien Wochen gelegt werden.

Damit ist vielfach auch die Hoffnung verknüpft den Pflegenotstand zu bekämpfen. Die Schlussfolgerung dahinter hinkt jedoch. Die bessere Verteilung der Arbeitsbelastung ist zwar vermutlich geeignet den hohen Krankenstand in Pflegeberufen zu reduzieren, jedoch keine Lösung für die akute Personalknappheit.


Auch das 7/7-Arbeitszeitmodell ist nicht ohne Nachteile

An dem alternativen Arbeitszeitmodell gibt es jedoch auch Kritik. Besonders für alleinerziehende Pflegekräfte ist das 7/7-Arbeitszeitmodell in der Regel nicht geeignet. Durch lange Arbeitstage kann es außerdem genauso zu persönlichen Belastungsspitzen kommen. Schließlich ist eine Anwesenheit von 12 Stunden pro Tag – den Hin- und Heimweg nicht zu vergessen – ebenfalls eine enorme Belastung. Einige Experten kritisieren deshalb, dass bei langen Schichten die Konzentration unweigerlich nachlasse und damit auch die Fehlerquote steigt.

Deutlich wird, dass dieses neue Arbeitszeitmodell den Pflegeberuf nur für wenige attraktiver macht und somit nicht als flächendeckendes Werkzeug gegen den Pflegepersonalmangel geeignet ist.
Für Pflegekräfte, die keine Kinder haben, kann das Modell jedoch eine echte Alternative sein.

Die Umstellung ist außerdem mit einigen Hürden verbunden und kann sich über mehrere Wochen erstrecken. Dennoch sind erste Träger wie bspw. die „Deutsche Senioren Gesellschaft“ bereit das 7/7-Arbeitszeitmodell einzuführen. Ob auch andere Arbeitgeber diesem Trend folgen bleibt jedoch abzuwarten.