Außerhalb der Pflege können sich nur wenige Menschen vorstellen gleichzeitig für 30 oder mehr Menschen zuständig zu sein. Auf vielen Pflegestationen in Deutschland ist das im Nachtdienst tägliche Realität. Die Arbeit im Nachtdienst gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben dieses Berufsfeldes und ist für das Personal oft kräftezehrend. Dennoch ist Pflege auch in der Nacht unabdingbar für die Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen.


Pflege im Nachtdienst: noch weniger Personal auf Station

Fest steht, dass die Pflege wohl zu den anspruchsvollsten Tätigkeiten zählt, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden sind. Statistiken und Erhebungen zeigen immer wieder die erhöhten psychischen und physischen Belastungen für Pflegekräfte. Besonders in Pflegeheimen und Krankenhäusern ist der Zeitdruck oft immens.

Aufgabenfelder in der Nacht sind vielfältig und reichen von der Überwachung der Patienten bis zur Wechseln von Windel oder Lagerung von Bettlägerigen. Besonders in Pflegeheimen, aber auch bei ambulanten Pflegediensten steht zudem die Betreuung von Demenzkranken in der Nacht auf dem Plan.

Bei der Pflege im Nachtdienst steht dafür noch weniger Personal zur Verfügung als am Tag. Dementsprechend eng und professionell müssen zeitliche Abläufe koordiniert werden. Bedingt durch den Pflegenotstand und den akuten Fachkräftemangel ist eine einzelne Pflegekraft während der Nacht durchschnittlich für 26 Personen zuständig. Pflegende erhalten somit häufig kaum eine Möglichkeit, sich adäquat um jeden einzelnen Patienten zu kümmern. Entsprechende Belastungsanzeigen führen in der Regel zu keiner Verbesserung.

Der hohe Druck in Verbindung mit den nächtlichen Arbeitszeiten führt außerdem beinahe unweigerlich zu Fehlern. Die Sicherheit der Patienten ist damit kaum zu gewährleisten. Hinzukommt, dass in der Nacht meist weniger oder kein medizinisches Personal vor Ort ist. Der Druck auf die Pflegekräfte nimmt damit weiter zu.

Die Umstände stellen dabei nicht nur für die Patienten eine ernsthafte Gefahr dar, sondern wirken sich auch die Gesundheit des Pflegepersonals aus. Die Folge sind hoher Krankenstand, vermehrt Fälle von Burn-Out-Syndrom und frustrierte Pflegekräfte.


Nachtschicht grundsätzlich belastend für den Körper

Die Arbeit im Nachtdienst ist grundsätzlich eine Belastung für den Körper, nicht nur in Pflegeberufen. Das liegt in erster Linie an der Verschiebung des Alltags entgegen dem eigenen Bio-Rhythmus.
In verschiedenen Studien konnte bei Menschen die im Schichtdienst arbeiten ein erhöhtes Risiko für Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen festgestellt werden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat 1992 festgestellt, dass Nachtarbeit grundsätzlich eine gesundheitliche Belastung darstellt.


Belastungen der Pflege im Nachtdienst reduzieren durch effektive Prävention

Das es in der Pflege einen Nachtdienst braucht, steht außer Frage. Dennoch müssen sich die Arbeitsbedingungen hier grundlegend verbessern. Es braucht für die Nacht verbindliche Untergrenzen über alle Bereiche hinweg. Außerdem müssen Nachtdienste deutlich stärker in den Dienstplänen berücksichtigt und mit entsprechender Freizeit ausgeglichen werden. Auch muss der Einsatz von Auszubildenden auf das Notwendige beschränkt werden. Um diese Punkte umzusetzen, bräuchte es in erster Linie eins: deutlich mehr Personal.

Mehr als jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland ist in einem Gesundheitsberuf tätig. Derzeit sind das also rund 3,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die in Pflegeberufen arbeiten. Darunter befinden sich etwa eine Million Krankenpfleger/-innen und 500.000 Altenpfleger/-innen. Analysen aus dem BKK Gesundheitsatlas belegen jedoch, dass besorgniserregend viele Arbeitskräfte in der Pflege eine hohe Ausfallquote aufweisen. Studien zufolge ist der Krankenstand in der Pflege primär den Arbeitsbedingungen geschuldet.


Ursachen für den Krankenstand in der Pflege

In den Pflegeberufen machen nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) mit 24 Prozent Muskel- und Skeletterkrankungen den größten Anteil an allen Arbeitsunfähigkeitstagen aus. Laut AOK Rheinland/Hamburg 2017 waren die Versicherten dennoch seltener krank als im Jahr davor. Obwohl sich laut Studie der Krankenstand in der Pflege – bezogen auf das Rheinland – verringert hat, war mehr als die Hälfte der Versicherten im Jahr 2017 mindestens einmal krankgeschrieben. An erster Stelle stehen dabei bei den Muskel- und Skeletterkrankungen Rückenschmerzen oder Schulterleiden. Im gesamten Durchschnitt fiel jeder Beschäftigte im Jahr 2016 an etwa sechs Kalendertagen wegen einer solchen Erkrankung aufgrund der körperlichen Belastung aus.


Psychisches Leiden erhöhen den Krankenstand in der Pflege

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind häufig seelisch belastend und können dazu führen, dass Pflegekräfte überdurchschnittlich oft krank sind. Besonders bei den psychischen Erkrankungen ist nach Angaben von Forschern die Anzahl an Krankschreibungen in der Pflegebranche in den vergangenen Jahren enorm angestiegen. Psychische Erkrankungen in der Pflege haben einen Anteil von gut 15 Prozent an allen Arbeitsunfähigkeitstagen laut der Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Im bundesweiten Durchschnitt aller Branchen liegt der Krankenstand in der Pflege bei rund 4,8 Prozent der Mitarbeiter pro Tag. In der stationären Altenpflege, einem der kritischsten Bereiche mit dem höchsten Krankenstand in der Pflege, liegt er bereits bei 6,3 Prozent. Ein weiterer Punkt sind Langzeiterkrankungen in der Pflegebranche. Viele Beschäftigten sind oft und immer häufiger länger als vier Wochen krankgeschrieben und können ihrer Tätigkeit nicht nachgehen.

Dabei fällt auf, dass es deutlich längere Ausfallzeiten gibt als in allen anderen Branchen. So beläuft sich der Ausfall bei Arbeitenden in Pflegeheimen auf etwa 24 Tage. Diese Ausfallzeiten stehen im deutlichen Gegensatz zu allen anderen Beschäftigten, die im Schnitt 16 Tage krank waren. Die seelische Belastung sorgt laut Untersuchungen besonders bei weiblichen Beschäftigten für mehr Krankentage.


Gesundheitsförderung für eine Aufbesserung des Krankenstands in der Pflege?

Sehr dringend wird heute in der Pflege die (betriebliche) Gesundheitsförderung benötigt. Von dieser Förderung und der Erkenntnis der Nützlichkeit profitieren noch immer ganze 57 Prozent der Angestellten nicht. Nur in den wenigsten Betrieben werden Gesundheitsförderungen eingesetzt und den Pflegekräften zur Verfügung gestellt. In den wenigen Betrieben, in welchen diese Gesundheitsförderungen vorgenommen werden, ist die Inanspruchnahme entsprechend hoch (79 Prozent). Auch hier belegen Studien, dass sich die Investition in betriebliche Gesundheitsförderungen rentiert und mit jedem Euro die anfallenden Fehlzeiten reduziert werden können.